„Vielleicht braucht es Menschen wie dich, um aufzuzeigen, dass es auch einen anderen Umgang mit Tod und Sterben geben kann.“, sagte sie zum Abschied. „Ich könnte keine Sterbebegleiterin sein, wenn ich es nicht selber lebe.“, antwortete ich.
Ich habe lange mit mir gerungen, ob ich die Bilder vom Abschied meines alten Seelenfreundes Arnie öffentlich zeigen soll. Ich habe tiefen Respekt und Demut vor dem Tod und der Würde des Sterbenden. Und mir waren noch gut die Fotos eines verstorbenen eng befreundeten Hundes auf Whatsapp in Erinnerung, die für mich jeder Würde, jeden Respekt entbehrten. Ich fand sie schrecklich. Doch im Sinne des obigen Dialoges und des Friedens, der in den letzten Fotos meines Tieres ganz offenbar wird, der Anteilnahme der anderen Tiere, und letztlich der Impulse von Beate, habe ich mich umentschieden. Ja, vielleicht muss es Menschen wie mich geben, die den Abschied von seiner anderen, von einer friedlichen Seite – beidseits – zeigt. Öffentlich.
Mein Wunsch war es, dass Kater Arnie von selbst einschläft und eine Euthanasie nicht nötig sein würde. Ich bin vom Herzen her buddhistischen Glaubens. Doch kam der Moment, an dem ich im Badezimmer bei Arnie war und er mich anschaute. Lange. Sein Gesichtsausdruck zeigte, dass er es nicht alleine schaffen würde, hinüberzugehen. Dass er litt und die Schmerzmittel nicht mehr halfen. Und so gingen wir am 4. Advent gemeinsam den allerletzten Weg. Die Tierärztin bestätigte, was ich schon wusste. Und sie ließ uns allein. Ich sagte Arnie, wie sehr ich ihn liebte, wie sehr ich ihm dankte. Ich streichelte seinen Körper und sein Köpfchen auf die Art, wie er es immer mochte. Ich schmiegte ihn an mich und meine Tränen benetzten sein Fell. Er schlief ein ohne Kampf, ganz friedlich in meinen Händen.
Zuhause barrte ich Arnie auf. Ich hatte eine Einschlagdecke genäht, in die ich Arnie hüllte. Ich legte einen Heilstein daneben und entzündete eine Kerze, die für Kalle stand, Arnies engen rothaarig-leidenschaftlichen Freund, der im Jahr zuvor verstarb. Ich wollte, dass Kalle Arnie abholte und ihn auf dem Weg begleitete. Es war ein tröstlicher Gedanke, dass er nicht alleine gehen muss. Auch bei Menschen heißt es, dass bereits verstorbene, nahestehende Personen dem gerade Gestorbenen Geleit geben und ihn liebevoll an die Hand nehmen. Genau das wünschte ich mir für meinen Arnie.
Jumi verabschiedete sich sehr berührend von Arnie, ihrem Lehrmeister. Sie schmiegte sich an ihn, schaute ihm ins Gesicht, leckte seine Ohren und verharrte bei ihm. Dann stand sie auf und legte sich nur einen Meter weiter weg, um Stunden dort in seiner Nähe zu wachen.
Erst am nächsten Tag begruben wir Arnie. Mit seiner Decke. Mit dem Geleit-Licht von Kalle, das die nächsten Stunden und Tage nie ausgehen würde.
Jetzt ist er weg, doch immer, wenn ich nach Hause komme, schaue ich auf den Platz, an dem Arnie einst Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr auf meine Heimkehr miauend gewartet hatte. Er war mir wichtig. Und ich war ihm wichtig. Seine letzte Stätte, die ich genau dort eingerichtet hatte, gibt mir Trost und füllt zumindest für den Moment der Heimkehr das Loch, dass durch seinen Tod entstanden ist.
„Du hast Recht“, sagte sie. „Genauso wie wir die Geburt eines neuen Lebens vorbereiten, können wir auch den Tod und den Abschied vorbereiten.“ Für mich war dies die aktive Form der Auseinandersetzung mit Tod, Verlust und Trennung. Alles war gut vorbereitet. Und so konnte jeder Abschied nehmen, der Abschied nehmen wollte. Und es konnte ein Abschied in Frieden, Einvernehmen und Gelassenheit sein. Und das ist mir sehr wertvoll.
Eure Claudia